Landhochzeit

Ja die Landleut, die sind lustig. Ich hatte vor einigen Tagen die Gelegenheit zu einem psychedelischen Ausflug in die Eingeweide unseres Landes. Eine Hochzeit fand statt, und diese bot reichlich Gelegenheit die typischen Landleute etwas näher zu betrachten. Von Natur aus eher scheu, wagen sie ja selten den Weg in die Stadt. Obwohl, sooft wie man in der Stadt einem Auto mit ländlichem Kennzeichen hinterherfahren muss, könnte man glauben alle Landleute wären zeitgleich und organisiert unterwegs um den Verkehr in den Städten mutwillig zum Erliegen zu bringen.

Das Gasthaus. Hier beginnt es also. Man trifft sich hier zur Mittagszeit, steht in der verrauchten Wirtshausbude herum und wartet zusammen. Dann der erste Schock. Gemeinsamer Auszug aus dem Gasthaus, paarweise aufgereiht, mitten auf der Straße, voraus zwei Trompeter, alle anderen hinten nach, dem Standesamt entgegen. Ich habe also den totalen Jet-Lag. Raus aus der Stadt und sofort rein in einen Umzug, der Blasmusik hinterher. Der Umstand das es regnet verleiht dem Ganzen eine zusätzliche, skurrile Note.

Das Standesamt. Die 70er Jahre Einrichtung stört nicht wirklich. Die Standesbeamtin schon eher. Eine asexuelle Mittvierzigerin blickt durch ihre gestrenge Metallbrille abwechselnd in ihre große Mappe und dann wieder auf die Brautleute und liest leider Gottes alles in einem monotonen, angewiderten Ton ab. Furchtbar. Aber auch dies ist leider eine Eigenheit des Landes. Es ist ja interessante Sache das die Standesbeamten im Schnitt immer besser werden, je größer die jeweilige Gemeine oder Stadt ist. Das mag durchaus an der Übung liegen. Wenn jemand 150 Trauungen im Jahr vornimmt hat er einfach mehr Übung als jemand der das Ganze nur 10x jährlich macht. Was ja auch wieder die Gefahr in sich birgt, das mit der Frequenz auch das Desinteresse am jeweiligen Brautpaar steigt. Da die Beamten der Stadt aber trotz allem grundsätzlich besser sind, ist schon davon auszugehen, das dort einfach mehr Wert auf Qualität gelegt wird.

Also gut, Auszug aus dem Standesamt, wieder der Blasmusik hinterher, kurz wieder ins Wirtshaus, dann in die Kirche. Hier haben wir uns kurz ausgeklinkt, und uns dann zur Abendunterhaltung im Wirtshaus wieder eingeklinkt. Der Auftritt des Pfarrers dort hat dann eh gereicht, aber dazu später.

Das Wirtshaus. Landleute in hoher Konzentration. Da gibt es Frauen, denen die Augen so weit beisammenstehen, das sie einander zu berühren scheinen. Es gibt Landbuben, die sich die Art zu Essen von ihren Kühen abgeschaut haben müssen. Immer mit offenem mund, das Essen aus den Mundwinkeln auf das Teller zurückfallend. Typen mit schwarzen, zurückgegeelten Haaren die allen Ernstes meinen, besonders cool zu sein, weil sie Schwarz angezogen sind. Schwarz ja, aber ein 5 € Langarmleiberl IN der schwarzen ausgewaschenen Jeans, das ist zuviel. Nun ergreift also der Pfarrer das Wort, es wird das Tischgebet gesprochen. Besser gesagt, das Vaterunser heruntergeleiert. Und der ganze Festsaal betet laut mit. Ein beängstigendes, monotones Gebrabbel. Fast wie bei einer schwarzen Messe. Alle beten sie mit. Die Frauen mit den engen Augen, die wiederkäuenden Buben und die Typen mit den ausgewaschenen Jeans. Völlig egal, was diese Typen wochentags so treiben, oder mit wem, egal wie oft sie den Staat bescheißen, Müll rechtswidrig entsorgen, ihre Tiere am Hof misshandeln, die Kinder schlagen, hier sind sie alle heilig und beten fromm das Vaterunser.

Was dann folgte, also der Mittelteil des Abends, war vergleichbar mit städtischen Hochzeiten, die Leute waren halt um einen Deut schrulliger. Es gab wilde Verfolgungsjagden im Saal um den Brautstrauß, die Braut war ständig gestohlen, einmal war die Braut UND der Bräutigam gestohlen, und beide warteten jeweils auf den anderen, das er ihn auslösen möge, was zur Folge hatte, das Beide recht lange nicht bei der Feier waren, sondern soffen, was das Zeug hielt. Doch dann begann der Abend eine Eigendynamik zu entwickeln. Filmriß. Bruchstückhafte Erinnerungen. Man erzählt ich habe geschuhplattelt, Twist, Kasatschok, Polonaise und Sirtaki getanzt, und ich muss sagen, es war einfach ein befreiendes, reinigendes Erlebnis, man fühlte sich nachher irgendwie besser als vorher.

Ja, die Landleut, die sind lustig. Und das ist nach meiner neuesten Erfahrung nichts Schlechtes. Gerade dieser Mut zum Anderssein, dieses Zugeständnis ans Land, die bewusste Differenzierung zur Coolness der Städter, die sie ja doch nie erreichen würden, macht sie auch offener, direkter, macht es ihnen möglich Feste zu feiern wie sie fallen. In diesem Sinne: zsamm, zsamm, zsamm, zsamm...... !!

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen