Ein Steg für Thomas Bernhard

So titelte der Standard im Juni dieses Jahres. Der Weißkirchnersteg im Wiener Stadtpark soll in „Thomas-Bernhard-Steg“ umbenannt werden. Hurra. Wieder eine Ehrung mehr für Thomas Bernhard. Wieder jemand, der posthum noch zu Tode geehrt wird. Diese Umbenennung wäre ein Fest für Bernhard, es wäre eine geradezu ideale Vorlage für ein Salvengewitter von Schmähtiraden, die er gegen den Verwaltungsapparat und Österreich an sich abfeuern würde.

Bernhard erkannte die Verlogenheit und Falschheit der gesellschaftlichen Natur Österreichs, und stellte sie immer wieder und mit schonungsloser Deutlichkeit bloß. Die Kronen Zeitung forderte die Ausbürgerung Bernhards, das schlimme Wort „Vaterlandsverräter“ stand da im Raum, Kleingeister erbosten sich. Bernhard wurde zwar auch schon zu Lebzeiten geehrt und mit Preisen bedacht, jedoch war er sich sehr wohl bewusst, von welchen Ignoranten solche Preise oft verliehen werden. Heute werden Straßen Plätze und Stege nach ihm benannt, und man nennt Bernhard den bedeutendsten österreichischen Autor der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Ist es wirklich so? Ist man erst gut, wenn man tot ist? Warum werden geniale Menschen oft erst nach dem Ableben geschätzt? Beurteilt man Aussagen, Aktionen und Werke eines Menschen anders, wenn er dann gestorben ist? Kann man sie dann akzeptieren? Oder entschuldigt man sie? Jemand mit seinem Tod zu entschuldigen ist jedoch keine große Ehre für den betreffenden. Ehrlich gemeinte Anerkennung zu Lebzeiten, das würde Künstlern und eigentlich uns allen tatsächlich nutzen.

Der erste Schritt, um selbst eine derartige Anerkennung zu erhalten, bevor man das zeitliche segnet, ist wohl der, anderen Anerkennung zuteil werden zu lassen. Mit offenen Augen menschliche Perlen zu erkennen und sie würdigen.

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