Small Talk

Sollten wir einmal in die Verlegenheit kommen, einem unseren gesellschaftlichen Sitten nicht habhaft gewordenen Besucher aus einer anderen Welt, sprich einem asozialen Alien, erklären zu müssen, was „Small Talk“ bedeutet, würde sich nichts besser dazu eignen, als mit ihm einem Gespräch über das Wetter zuzuhören.

Das Wetter ist sozusagen der kleinste gemeinsame Nenner unserer Gesellschaft. Etwas das alle betrifft, und worüber alle gerne reden. Sicher könnte man auch über andere Dinge reden, über das teurer gewordene Benzin, über Wirtschaftskrisen, Epidemien, doch es gibt da immer welche, denen eines dieser Themen hintenrum vorbeigeht. Der Mensch ist halt so. Wenn es einen selbst nicht betrifft, interessiert es meist nicht. Dem Manager wird der Benzinpreis herzlich egal sein. Er hat eine Firmentankkarte und ob seine Tankfüllung jetzt 10 Euro mehr oder weniger kostet ist ihm so egal als ob in China in einer seiner Firmen ein Kind an Asbestvergiftung stirbt oder nicht. Die Epidemie in Thailand interessiert erst, wenn es den ersten Betroffenen im eigenen Land gibt, und die Wirtschaftskrise erst, wenn man den eigenen Job verliert. Der Mensch ist sich selbst am Nächsten.

Über das Wetter spricht man gern. Natürlich aus den unterschiedlichsten Gründen. Bauern schimpfen über zuviel oder zuwenig Regen, alte Menschen über die rutschigen Straßen oder die schwüle Hitze, junge Leute freuen sich auf Badewetter, Familienväter über das richtige Wetter für den nächsten Ausflug. Hausbesitzer haben Angst vor Überschwemmungen, Muren und Stürmen, Autobesitzer detto, sowie vor Hagel und Eisfahrbahnen. Obwohl man daran ja nicht das Geringste ändern kann. Ohnmächtig muss man zusehen, wie es einem das Auto zerhagelt, die Ernte vernichtet, den Keller überflutet oder das Wochenende versaut. Aber das ist völlig egal. Man diskutiert den Staus Quo, philosophiert, rezitiert Statistiken und stellt Vermutungen an. Beim Wetter findet sich alles wieder. Und über das Wetter kann man immer reden.

Und das wird genützt! In Firmen, beim Bäcker, im Wirtshaus, auf der Uni, im Altersheim, ja, auch als Anmachspruch wird das Wetter missbraucht. („Kalt ist es heute wieder, kommst zu mir kuscheln?“)

Sollte der solchermaßen angewiderte Alien damit liebäugeln, die offensichtlich an latentem Hirnschwund leidende menschliche Gesellschaft mit seinem 12 Trilliarden Volt Phaserdingsbums wegzappen uns somit erlösen zu müssen, sollten wir ihm wohl doch noch erklären, das Gespräche über das Wetter ein überaus ernst zu nehmender Teil der menschlichen Kommunikation sind, und einen erstzunehmenden Beitrag zum sozialen Gefüge und Stabilität unserer Gesellschaft leisten. Gespräche über das Wetter existieren ja nicht zum Selbstzweck. Sie sind DER Opener für weiterführende Konversationen. Wie sonst sollte die Buchhalterin jemals mit dem Vorstandsvorsitzenden ins Gespräch kommen? Wie sollte man jemals ein Gespräch mit dem Nachbarn beginnen können um später festzustellen, das dieser durchaus sympathisch ist? Hätte der Bäcker, die Friseurin, der Bahnreisende, der Taxifahrer eine bessere Möglichkeit ein Gespräch zu beginnen, als mit einer allgemeinen Aussage zum Wetter? Ja gibt es denn ein unverbindlicheres, unverfänglicheres Thema als das Wetter? Nein.

Und so haben sich Gespräche über das Wetter als wertvolles Instrumentarium der Menschheit herausgestellt, soziale und menschliche Gräben zu überwinden und beim kleinsten gemeinsamen Nenner ein Gespräch mit offenem Ausgang zu beginnen.

Also ET, lass den Phaser stecken. Hast du den Wetterbericht schon gehört?

(Bild via Darren Hester)

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