Die guten alten Zeiten

Es geht um ein Fahrrad. Das gleich mal vorab, damit mich nicht gleich alle für so einen reaktionären republikanischen Spinner halten, der nix am Hut hat mit der modernen Zeit. Das nicht. Es ist ja überhaupt die Frage, ob es gute alte Zeiten jemals gegeben hat. Damals starben Leute am Kindbettfieber, da schufteten die Leute 18 Std. am Tag, da durften Frauen nicht wählen und Kinder sahen keine Schule. Also, die moderne Zeit hat schon sehr viele Vorteile.

Aber, es geht ja wie gesagt um ein Fahrrad. Um mein Fahrrad. Es ist ein schwarzes 3-Gang Waffenrad in Damenausführung. „O mein Gott“, hör ich den Cyberspace kreischen. Ok, ich muß also etwas ausholen. Das Waffenrad befindet sich schon seit einiger Zeit in meinem Besitz, es wurde mir geschenkt, soviel zu meiner Verteidigung. Gefahren bin ich bis letztes Jahr mit einem Mountainbike, mit dem ich eigentlich sehr zufrieden war. Sah sogar recht gut aus, gefiel mir. Leider nicht nur mir, letzten Sommer wurde es mir gestohlen. Also musste das Waffenrad ran. Und ich muß ehrlich zugeben, das Fahren mit dem Waffenrad ist schon eine super Sache. Warum, möchte ich kurz erklären:

1) Die Sitzposition. Kämpft man sich auf einem Mountainbike wie ein Büffel vorwärts, vornüber gebeugt, auf die Straße starrend, angespannt, kann man mit dem Waffenrad entspannt, in aufrechter Sitzposition die Gegend vorbeifließen sehen. Man sieht viele Dinge, die einem mit einem anderen Rad entgangen wären.

2) Der Komfort. So ein gefederter Sattel ist schon was feines. Man schwebt über die Straße, jede Bodenunebenheit wird weggefedert, wunderbar, so was. Gut, als junger Mensch steht einem der Sinn vielleicht eher nach Speed, aber wenn man wie ich auf so eine Komfortschaukel gezwungen wird, lernt man diese Dinge auch zu schätzen.

3) Der Speed. Ja, der Speed. Und jetzt gibt’s hier nix zu kreischen. Ich hab mir vor ein paar Monaten ein neues Mountainbike gekauft. Listenpreis so € 700,- oder so. Gut ich habs günstiger bekommen. Aber das ist vielleicht ein schweres Roß! Da verpufft jede Energie irgendwo in den chinesischen Wälzlagern oder in der fetten 2.1er Pneus. Ich hab ja keine Beweise, aber ich bild mir ein, mit dem Waffenrad schneller unterwegs zu sein, mit weniger Kraftaufwand!

4) Der Kult. Es gibt ja schon so einen Art Kult um Waffenräder. Man wird längst nicht mehr belächelt, wenn man mit einem solchen schwarzen Trumm unterwegt ist, man sollte sogar halbwegs aufpassen, wo man es stehen lässt, und auch ans absperren denken.

All diese Punkte kombiniert tragen zum unglaublichen Wellnessfaktor meines Waffenrades bei. Heute bin ich von der Arbeit nach Hause gefahren, aus dieser verdammten Höhle, und habe frei geatmet, wurde wieder erinnert, das ich Beine habe die für mehr brauchbar sind, als mich vom Arbeitsplatz zum Kopierer, zur Kaffeemaschine und wieder zurück zu schleppen, habe Sonnenschein auf meiner Haut gespürt, und den Wind im Gesicht. Wunderbar. Die guten alten Zeiten, ich hab sie unter meinem Hintern. Und ich steh drauf!

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